Neuigkeiten

Der Transparenzbericht Q2 ist da

21. September 2020 12:04

annika.bruemmer

Liebe Leute, wir haben die aktuellen Zahlen von unserem Steuerbüro erhalten und können endlich den Transparenzbericht für das zweite Quartal 2020 veröffentlichen. Dieser Bericht ist wohl einer der interessantesten der letzten Jahre, denn er zeigt deutlich, was für Spuren Corona hinterlassen hat.

Während wir mit einem wahnsinnig erfolgreichen ersten Quartal ins Jahr gestartet sind und im Vergleich zum Q1/2019 über 30 % mehr Bier verkauft haben (Q1/2019: 91.970 Liter, Q1/2020: 122.200 Liter), kam dann im zweiten Quartal wie erwartet der Einbruch: Waren es im zweiten Quartal 2019 noch 141.559 Liter, die wir unter die Leute gebracht haben, sieht es mit 81.700 Litern aus Q2/2020 eher mau aus. Was uns am meisten trifft, ist die Tatsache, dass das zweite Quartal die wichtigste Zeit des Jahres für uns darstellt, denn in diesen Monaten verkaufen wir im Regelfall am meisten und sammeln wichtige Einnahmen, die uns über die trüberen Wintermonate tragen. Wäre das Jahr so weitergelaufen, wie es anfangs aussah (und ohne Corona), wären wir vermutlich irgendwo bei 184.000 verkauften Litern angekommen (das entspräche einer Zunahme von 30 %), also knapp 100.000 Liter mehr als wir es letztendlich umsetzen konnten.

Das ist natürlich bitter, aber immer noch nicht ganz so gravierend, wie wir es anfangs angenommen haben, denn die Different der verkauften Liter aus Q2/2019 und Q2/2020 beträgt „nur“ 62.859 Liter. Das sind knapp 43 %, wobei wir natürlich eine Steigerung (wie auch im 1. Quartal) eingeplant hatten.

Aus Unternehmenssicht mussten wir wegen der Umsatzeinbrüche sofort die richtigen Maßnahmen ergreifen: Kurzarbeit und Ausgabenstopp für alle nicht unbedingt notwendige Anschaffungen. So haben sich beispielsweise unsere Personalkosten signifikant verringert und sind von 90.205 € (Q1/2010) auf 36.790 € (Q2/2020) und damit um fast zwei Drittel gesunken.

Aus Vereinssicht sind die Einbrüche der verkauften Literanzahl ebenfalls deprimierend, denn der soziale Gewinn – also das Geld, das in die Projektförderung für das anstehende Jahr fließt – ist unmittelbar an die verkaufte Literzahl gekoppelt. Das bedeutet also, dass durch das zweite Quartal 2020 viel weniger Fördergelder zusammengetrunken wurden als geplant: Waren es im zweiten Quartal 2019 noch 14.156 €, die in den Fördertopf geflossen sind, kamen in Q2/2020 lediglich 8.170 € in den Pott. Wäre das Jahr wie geplant gelaufen, wären allein von April bis Juni 18.400 € Fördergelder zusammengekommen.

Anyways, trotz ein wenig feuchter Augen, die darauf basieren, dass wir uns vorstellen, wie es ohne Corona hätte sein können, sind wir ganz zufrieden, wie sich die Zahlen für Quartiermeister aktuell entwickeln. Der jetzige Absatz ist einigermaßen stabil und ist ungefähr auf dem Niveau des letzten Jahres. Die Zahlen geben auch her, dass wir - mit Blick auf die Wintermonate und steigender Infektionszahlen - langsam wieder mit der Projektförderung loslegen können. Wir starten in Leipzig (Bewerbungsfrist 20. Oktober) und in Stuttgart (Bewerbungsfrist 1. Dezember). Mehr dazu lest ihr hier.

Die Förderung startet wieder – In diesen Städten geht's los!

14. September 2020 12:40

lisa.wiedemuth

Am 7. März - genau eine Woche vor dem Lockdown - trafen sich unsere Vereinsmitglieder in Berlin, um die zusammengetrunkene Förderung von 55.000€ auf das Förderjahr 2020/21 zu verteilen. Aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Liquiditätsverlusten des Unternehmens wurde dieses Geld kurz darauf eingefroren. Seit Anfang September ist klar: Die finanzielle Situation der GmbH erlaubt es, wieder zu starten. Wir halten dabei an den 10 Cent pro Liter und den beschlossenen Fördertöpfen pro Stadt fest und sortieren lediglich die Zeiträume neu. Gestartet wird mit der Projektförderung in Leipzig (3.000€) und Stuttgart (1.000€). Hier findet ihr alle weiteren Informationen zum Verfahren.

In der Regel plant der Quartiermeister e.V. Anfang März das komplette Förderjahr, welches Anfang April startet und bis Ende März des Folgejahres reicht. In diesem Zeitraum findet jeden Monat eine Förderung in einem anderen Quartier statt. 2020 hat dieser längerfristigen Planung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Derzeit müssen wir es uns erlauben, zeitnah und flexibel auf Veränderungen zu reagieren und unsere Förderpläne anzupassen. Aus diesem Grund werden die Förderrunden und damit verbundenen Bewerbungsfristen nun quartalsweise beschlossen und bis in die Mitte des Jahres 2021 reichen. Fest steht bereits, wieviel Geld welchem Quartier pro Projekt bzw. welchem Fördertopf zur Verfügung steht. Projekte können sich von daher jederzeit initiativ bewerben. Hier ein transparenter Überblick über unsere beschlossenen Fördertöpfe:

 

Leipzig startet mit 3.000 - Bewerbungsfrist 10. Oktober 2020

Der Förderrunden im nächsten Quartal sind nun beschlossen. Das Quartier Leipzig beginnt und ruft alle sozialen Initiativen auf, sich bis zum 10. Oktober über unser brandneues Online-Formular zu bewerben. Im November dürfen dann alle wieder fleißig auf unserer Homepage mitvoten, welche drei Projekte mit jeweils 1.000€ gefördert werden. Alle weiteren Informationen zu Bewerbung findet ihr hier!

 

Stuttgart fördert zum ersten Mal und sucht Mitstreiter*innen

Und auch Stuttgart ruft nach dem Vertriebsstart im letzten Jahr erstmalig zur Bewerbung auf. Hier liegen insgesamt 1.000€ im Topf. Gefördert werden zwei Initiativen mit jeweils 500€. Bewerbungsfrist ist hierbei der 1. November 2020. Hier geht’s zur Bewerbung.

Zum Aufbau des Quartiers und zur Entscheidung, welche Projekte zur Onlineabstimmung zugelassen werden, suchen unsere Ehrenamtlichen Melissa und Julian in Stuttgart noch Mitstreiter*innen. Du hast Lust dich für das Gemeinwohl in deiner Stadt einzusetzen? Dann melde dich unter mitmachen@quartiermeister.org. Hier erfährst du, was unser Verein sonst noch treibt und wie man sich engagieren kann!

 

Und so geht's weiter

Anfang November entscheiden wir wieder gemeinsam in welchen Quartieren wir zwischen Januar und März 2021 fördern werden. Unser 2. Quartiermeisterstipendium für ein besonders herausragendes Projekt in Berlin wird höchstwahrscheinlich im kommenden Frühjahr umgesetzt. Transparenz gilt für uns gerade in Zeiten von schneller und flexibler Entscheidungsfindung als höchstes Prinzip. Wir werden euch von daher stets über unsere neusten Entwicklungen informieren. Ihr habt Lust, über die Neuigkeiten rund um unsere Projektförderung informiert zu werden? Dann tragt euch hier in unseren Projektnewsletter.

Aufgrund der wachsenden Fördersummen und der damit verbundenen Verantwortung als Verein schlüsseln wir euch außerdem jährlich die Verwendung unserer Gelder transparent auf. Seht hier im Vergleich was wir im letzten Jahr eingenommen und ausgeschüttet haben!

 

Quartiermeister goes Köln

10. September 2020 11:40

annika.bruemmer

Liebelein, schön, dat de do bess! So, oder so ähnlich klingts in Köln, denn: Trommelwirbel – Quartiermeister gibt’s nun live vor Ort und auf natürlichem Wege in Kölle zu kaufen. Wir starten klein und fein, dafür aber volle Pulle mit dem Jazzkiosk, wo direkt alle sechs Sorten verfügbar sind.

Außerdem könnt ihr euer neues Lieblingsbier bei Kölsch und mehr bestellen und euch direkt nach Hause liefern lassen.

Zu danken haben wir dem lieben Gottfried, der Quartiermeister die ersten Wege durch NRW bahnt und uns seit Kurzem im Vertrieb in Köln unterstützt.

Ihr findet, Quartiermeister muss es in viel, viel mehr Kölner Läden geben? Finden wir auch, denn nur wenn Köln zur Flasche greift, können auch vor Ort Projekte gefördert werden. Falls ihr also den ein oder anderen Tipp habt, dann meldet euch gerne direkt bei Gottfried unter: gottfried.mössinger@quartiermeister.org.

Corona-Talk mit Lisa: "Die Förderung wird aufrecht erhalten. Wir werden sie nur zeitlich verschieben"

7. September 2020 10:06

annika.bruemmer

Lisa zählt quasi zu Quartiermeisters Inventar. Sechs Jahre lang arbeitete sie für die GmbH – zunächst als Praktikantin, dann als studentische Hilfskraft und Vollzeitkraft. Letztes Jahr zog es sie für ein Masterstudium nach Görlitz. Von dort aus rockt Lisa die Vereinskoordination weiß auf alle Fragen rund um unsere Projektförderung die passende Antwort.

Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?

Ich habe das Ganze fast schon täglich ab Dezember verfolgt als es in China losging. Damals habe ich gedacht, dass Corona etwas sehr Ernstes aber Fernes ist. Ich hatte größere Sorgen als mein persönliches Umfeld. Mir nahestehende Personen haben mich teilweise für verrückt erklärt und mir geraten, meinen Medienkonsum zu überdenken. Durch die tägliche Information habe ich die überwältigende Dynamik von Beginn an als Bedrohung wahrgenommen, die immer näher rückt und die keine*r so richtig ernst nimmt.

 

Das heißt, du hast Corona schon relativ früh als Bedrohung angesehen?

Ja, wobei das eher eine abstrakte Angst war. Ich hatte keine Angst davor, selbst zu erkranken. Ich hatte Angst davor, dass eine globale Krise entsteht, dass die Wirtschaft kracht und dass das erhebliche soziale Folgen mit sich bringt. Als es dann immer ernster wurde, war ich echt froh, in Deutschland zu leben. Ich kann mich trotz der Umstände auf ein starkes Gesundheits- und Sozialversicherungssystem verlassen, auf Politiker*innen, die verantwortungsvoll mit diesem Thema umgehen. Ich habe einige Freund*innen in Italien und kannte die Situation vor Ort. Ich hatte nie die Angst, dass hier Verhältnisse wie in Norditalien eintreten würden. Aber ich hatte ein riesiges Mitgefühl für das Leid in dieser Region.

 

Du bist als studentische Mitarbeiterin bei Quartiermeister für den Verein angestellt und koordinierst die Vereinsmitglieder und die Förderung. Welche Auswirkungen hatte Corona auf deine Arbeit?

Der Zeitpunkt des Lockdowns hätte nicht ungünstiger sein können. Eine Woche zuvor, am 7. März, fand in Berlin unsere Jahreshauptversammlung statt, zu der sich alle Mitglieder aus Deutschland trafen, um die 55.000 € Fördergelder für 2020 auf die verschiedenen Fördertöpfe zu verteilen. Anfang März war also eigentlich eine Periode des Aufbruchs, wo ich dachte: „Jetzt geht’s los! Das Fördergeld wächst! Unsere Wirkung wird immer größer!“ Die Jahreshauptversammlung hat bei mir eine so starke Motivation ausgelöst, auch weil so viele neue Gesichter dabei waren, aus München, aus Stuttgart, aus Halle. Alles Ehrenamtliche, die in den Startlöchern standen und sich für die Förderung des Gemeinwohls in ihrer Stadt einsetzen wollten.

Und dann kam diese E-Mail von Peter und David, aus der ersichtlich wurde, dass Corona riesige Auswirkungen auf Quartiermeister haben wird. Ich sehe heute noch die Zahl vor mir: 80% Umsatz über die Gastronomie, der auf einen Schlag wegfallen kann. Das hat bei mir extreme Panik ausgelöst. Ich glaube, ich hab mich dann erstmal auf’s Bett geschmissen und geheult.

Der Austausch danach war aber sehr transparent, verständnisvoll und beruhigend. Gespräche helfen mehr als tausend E-Mails. Die Projektförderung wurde dann nach einer Entscheidung zwischen dem Vorstand des Vereins und der Geschäftsführung der GmbH erst einmal auf Eis gelegt, weil wir durch die kommenden Umsatzverluste nicht zahlungsfähig gewesen wären und erstmal die Arbeitsplätze schützen wollten.

Für mich hat das bedeutet, dass meine eigentliche Arbeit – nämlich Projekte fördern – nicht mehr existierte. Da kam dann gleich die nächste existenzielle Angst. Ich bin wieder Studentin und finanziere mich mit Jobs und Projekten, die man hier und da bekommt. Quartiermeister war nicht das Einzige in den zwei Monaten, was von einem Moment auf den anderen zu entgleiten schien. Ich hatte mir Anfang März ein riesiges Whiteboard gekauft, auf dem ich meine ganzen Jobs und Aufgaben koordinieren wollte. Naja, das Whiteboard ist dann einfach weiß geblieben, das war ein deprimierender Anblick (lacht). Die finanzielle Unsicherheit hat mir eine Zeit lang richtig, richtig doll zu schaffen gemacht. Meine Familie ist sofort in die Bresche gesprungen, das ist ein großes Privileg, das danke ich ihnen sehr, aber mit 27 fühlt sich das nicht so geil an.

Auch der Quartiermeister Verein hat mich unterstützt und gesagt, dass er meine Stelle halten wird. Ich habe mich dann mit Dokumentationsarbeit und Liegengebliebenem beschäftigt. Ein großer Teil meiner Zeit ist dafür drauf gegangen, Kontakt zur Geschäftsführung und zum Vorstand zu halten, um alle getroffenen Entscheidungen transparent an die Vereinsmitglieder zu kommunizieren. Ich habe außerdem die „Wertuellen Kneipenabende“ auf Instagram Live ins Leben gerufen. Dort haben wir mit verschiedenen Expert*innen über Wertewandel in unserer Gesellschaft gesprochen. Das war für mich eine gute Ablenkung, eine Art Beschäftigungstherapie und rettete mich vor einer sinnlosen Leere, vor der ich die ganze Zeit Angst hatte. Anderen Leuten ging es natürlich viel schlechter. Die hatten mit ganz anderen Dingen zu kämpfen, das habe ich mir immer vor Augen gehalten. Aber schon krass, wieviel Selbstwert und Identität in einer sinnerfüllenden Arbeit steckt.

 

Die Förderung wurde nun durch die Umsatzeinbußen erst einmal auf Eis gelegt. Was denkst du darüber? Und was denken die anderen aus dem Verein?

Total spannend fand ich, dass niemand aus dem Verein die Entscheidung, die Förderung einzufrieren, angegriffen hat. Alle wussten: Wenn es der GmbH schlecht geht, geht’s auch dem Verein schlecht. Diese riesengroße Solidarität, dieses An-einem-Strang-Ziehen habe ich vorher noch nicht so erlebt. Als Kontrollorgan der GmbH wurden früher durchaus mal unternehmerische Entscheidungen vom Verein hinterfragt oder kontrovers diskutiert. Diese Notbremse fanden alle berechtigt.

Wir haben natürlich auch besprochen, auf welcher Entscheidungsgrundlage wir die Förderung wieder starten können. Denn es handelt sich ja um Geld, das im Jahr zuvor – also 2019 – zusammengetrunken wurde. Gleichzeitig hängt alles vom Cashflow des Unternehmens ab. Ich denke, für den Verein ist es ideell sehr wichtig, die Fördersumme und die beschlossenen Töpfe aufrecht zu erhalten und das Ganze nur zeitlich zu verschieben. Seit einer Woche ist klar, dass wir die Förderung ab Oktober langsam wieder hochfahren können. Das freut mich riesig! Wir starten in Leipzig und dann im November in Stuttgart. Alle drei Monate werfen wir einen Blick auf die Liquidität und bestimmen die Förderrunden für das nächste Quartal. Es bleibt also erstmal alles beim Alten und Beschlossenen, nur dass wir keinen Jahresplan, sondern einen Quartalsplan verfolgen, um flexibel auf Änderungen zu reagieren.

 

Wie empfandest du die Kommunikation zwischen GmbH und Verein? Inwiefern wurde der Verein in Entscheidungen involviert?

Ein Großteil des Austauschs fand tatsächlich zwischen Geschäftsführung und Vorstand des Vereins statt. In der Anfangszeit war das gefühlt jede Woche. Die Entscheidungen wurden gesammelt und mit einer Feedbackschleife an den Verein weitergegeben. In einer Online-Mitgliederversammlung haben wir dann nochmal ausführlich über die Entscheidungen gesprochen. Gerade am Anfang mussten finanzielle Entscheidungen schnell und gezielt getroffen werden, da konnten wir schwer fünfzig Menschen aus über fünf Städten im Prozess involvieren.

 

Du wohnst in Görlitz und bist neben deiner Arbeit bei Quartiermeister auch mit anderen Projekten beschäftigt. Wie ist es für dich, die Corona-bedingten Veränderungen bei Quartiermeister aus der Ferne mitzuerleben?

Am Anfang hat es wie gesagt zu einer riesigen Verunsicherung geführt. Die GmbH hat montags immer ihre Meisterrunde, in der sich alle austauschen können. Da bin ich aufgrund meiner Vereinstätigkeit aber nicht persönlich dabei, sondern lese nur Protokoll. Geschriebene Fakten tun dann eben mehr weh, als das gesprochene Wort. David hat mir angeboten, dazuzukommen und einfach mitzureden. Aber ich hatte das Gefühl, meine Unsicherheit lieber mit mir selbst auszumachen oder in Vier-Augen-Gesprächen zu teilen, als in einer großen Runde.

 

Wie fühlt es sich an, als Studentin von verschiedenen Jobs und Projekten abhängig zu sein?

Das Problem war, dass meine anderen Jobs ausschließlich Festivals betrafen. Es war Ewigkeiten unklar, ob diese Veranstaltungen stattfinden können. Das heißt ich habe auf etwas hingearbeitet, von dem ich gar nicht wusste, ob das stattfinden wird oder ob ich überhaupt bezahlt werde. Wenn man als zugegebenermaßen etwas ältere Studentin nicht vom Amt oder den Eltern abhängig sein möchte, dann hat man oft viele, prekäre Arbeitsverhältnisse. Wenn ein Dominostein umfällt, dann macht der gesamte Finanzplan keinen Sinn. So war das bei mir. Es hat sich im Mai dann jedoch glücklicherweise aus dem Nichts eine andere Job-Option aufgetan. Im Nachhinein ein Glücksgriff.

 

Bei Quartiermeister geht es nicht nur um Bier und die eigenen Leute, sondern auch um soziale Projekte. Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf die Projektlandschaft ein?

Ich denke, die Auswirkungen betreffen zwei Dimensionen. Die erste Dimension umfasst die Folgen für die Projekte selbst. Ihnen fehlt Geld durch entgangene Veranstaltungseinnahmen, oder projektbezogene Fördermittel. Manche Initiativen decken sich über das gesamte Jahr nur mit Projektförderungen und zahlen damit anteilig laufende Nebenkosten wie bspw. Mieten. Wenn diese Einnahmen fehlen, wird es sehr schnell existenziell.

Die zweite Dimension geht über die Projekte hinaus und umfasst die Folgen für die Gesellschaft, wenn sich diese Projektlandschaft ausdünnt. Ich finde die Quartiermeister-Förderung gerade so toll, weil es um Projekte geht, bei denen Menschen zusammenkommen, die gesellschaftlich etwas verändern wollen. Leute, die sich für Nachhaltigkeit oder ihre Nachbarschaft einsetzen. Häufig trifft man auf das Vorurteil, dass die Wirkung dieser kleinen Projekte sehr gering und lokal ist. Ich bin aber der Meinung, dass der notwendige Wandel, in Bezug auf die Frage „Wie können wir uns hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft entwickeln?“, gerade nur im Kleinen, also in der Lebenswelt der Menschen stattfinden kann. Überall dort, wo Menschen freiwillig zusammenkommen und etwas ändern möchten, um ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren. Wenn solche Orte des spontanen und zivilgesellschaftlichen Zusammentreffens verloren gehen, gehen nicht nur gehörige Veränderungspotenziale, sondern auch der gesellschaftliche Zusammenhalt verloren.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Ich fange mal bei mir an. Für mich persönlich war der Lockdown nach der ängstlichen Anfangszeit ein Moment, in dem ich feststellte, es ist auch gut, mal Dinge zu tun, die keinen höheren Sinn verfolgen. Ich bin zudem ein Mensch, der gern längerfristig plant und das auch auf Arbeit erwartet. Mich hat es wahnsinnig gemacht, wenn Menschen sich nicht an Absprachen gehalten haben oder tausend Sachen in letzter Sekunde veränderten. Durch Corona habe ich gemerkt, dass ich damit doch umgehen kann. Entscheidungen und Fristen über den Haufen zu werfen tut nicht mehr so weh.

Außerdem wurde meine Fernbeziehung – mein Freund wohnt noch in Berlin - über einen längeren Zeitraum eine Nahbeziehung und das Aufeinanderhocken tat richtig gut.

Für Quartiermeister glaube ich, dass die Motivation, für das Gute zu kämpfen, im Team noch weiter gewachsen ist. Bullshitjobs lassen sich in Kurzarbeit gut aufgeben, bei Quartiermeister haben alle zusammengehalten und sich trotz der persönlichen Belastungen als eine Gemeinschaft verstanden. Corona hat gezeigt, wie anfällig unser wachstumsbasiertes Wirtschaftssystem bei Krisen ist, wie schnell Finanzmärkte reagieren, wie schnell die Arbeitslosenzahlen nach oben schießen und auf wen eigentlich im Endeffekt Verlass sein muss. Ich hoffe sehr, dass der temporäre, starke Verzicht nicht dazu führen wird, dass im Nachhinein alle komplett ausrasten werden, sondern grundsätzlich mit weniger auskommen. Aber da scheiden sich ja die Geister. Ich glaube jedenfalls, dass ein Wirtschaftssystem, in dem es in erster Linie um Gemeinwohl und Kooperation geht, nicht um Konkurrenz, Konsumwahnsinn oder Wachstumszwang, belastbarer wäre und soziale Folgen besser abgefedert werden. Wäre jetzt mal ein guter Moment, sich ausführlicher mit möglichen Systemalternativen zu befassen.

 

Wie wahrscheinlich hältst du es, dass die zweite Welle kommt und was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich denke, in Deutschland befinden wir uns schon in der zweiten Welle. Ich muss meine Wut auf Corona-Leugner*innen und selbsternannte Freiheitskämpfer*innen zügeln. Mein Verständnis hält sich da stark in Grenzen, meine Geduld in Gesprächen ebenfalls. Ich persönlich habe kein Problem damit, mich wieder in Quarantäne zu stecken. Ich habe kein Problem damit, mich zum Wohle anderer einzuschränken. Und was für eine Freiheitsbeschränkung ist bitte eine Maske im Supermarkt? Was ich allerdings anders machen würde, ist nicht mehr alle zwei Stunden irgendwelche Zahlen online zu checken, wie viele Menschen sich jetzt wie und wo infiziert haben. Das hat mich wirklich ein bisschen wahnsinnig gemacht.

 

Quartiermeister goes Österreich – jetzt in Wien für den guten Zweck trinken

2. September 2020 13:52

annika.bruemmer

Mit kleinen, aber feinen Schritten bahnt sich Quartiermeister seinen Weg in die Alpenrepublik. Seit kurzem könnt ihr den besten Gerstensaft in Wien zu euch nehmen und so zum guten Zweck „beitrinken“. Vorerst beschränkt sich die Verfügbarkeit auf das Cafe Schopenhauer, die Nelke und dem Zweistern. Bei den juicebrothers könnt ihr außerdem direkt bestellen und euch unser Bier direkt vor die Haustür karren lassen.

Alle weiteren Entwicklungen könnt ihr natürlich auf unserer Bier gibt’s hier-Map verfolgen.

Verantwortlich für den ersten Schritt über die deutsche Grenze ist Walter, unser neuester Quartiermeister. Walter ist Kellner, Barkeeper, Veranstalter und (gesellschafts-)politischer Aktivist in einem und unterstützt uns seit einigen Wochen im Vertrieb innerhalb Wiens.

Darauf ein Prost, Baba und #zumwohlealler

Corona-Talk mit Benni: "Mein Arbeitsvertrag wurde mitten im knallharten Lockdown verlängert"

2. September 2020 12:52

annika.bruemmer

Benni ist unsere Münchner Vertriebsmaschine und hält in Bayern die Fahne hoch. Offiziell wäre Bennis Vertrag während des Lockdowns ausgelaufen. Trotz Kurzarbeit und düsteren Prognosen wurde dieser verlängert – juhey! Wie die letzten Monate für Benni waren, lest ihr im Interview.

Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?

Zuerst habe ich mir nicht wirklich etwas dabei gedacht. Das ist ja leider oft so. Krisen, die in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten vorherrschen, scheinen so weit weg. Man hat den Eindruck, dass es einen selbst gar nicht betrifft, geschwiege denn die eigene Comfort-Zone oder die eigene Gesundheit …

 

Ab wann hast du Corona als Bedrohung für dich, deine Freunde und Familie und auch für Quartiermeister angesehen?

Ich hatte das erste Mal ein mulmiges Gefühl, als der erste Corona-Fall in Deutschland – der war ja sogar bei München – aufgetreten ist. Zeitgleich haben wir Quartiermeister auf die ISPO, eine sehr große Messe in München, geschickt. Dort gab es schon ein Hygiene-Konzept mit vielen Desinfektions-Stellen. Trotzdem habe ich mir die Wochen danach immer noch nicht viel bei Corona gedacht. Der Knackpunkt kam dann tatsächlich aus dem beruflichen Feld, als es hieß, dass wir ab April alle in Kurzarbeit gehen werden. Das war Mitte März. Dann habe ich endlich gecheckt: Hoppla, das ist eine wirkliche Bedrohung. Vor allem habe ich mir dann Sorgen um meine Eltern gemacht, die genau in die Risikogruppe fallen.

 

Du bist seit Mai 2019 bei Quartiermeister und hattest zunächst einen befristeten Vertrag, der Mitte Mai ausgelaufen wäre. Er wurde jedoch verlängert. War das überraschend für dich in Anbetracht der kritischen Lage, in der sich Quartiermeister zu dem Zeitpunkt befand?

Ganz grundsätzlich habe ich mich ab Sekunde Null mit den Werten von Quartiermeister identifizieren können. Anders kann man wahrscheinlich auch gar kein Bier verkaufen. Also hinter dem man nicht steht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass Quartiermeister diesen solidarischen, kollektivistischen Gedanken nicht nur nach außen trägt, sondern auch nach innen lebt. Das hat sich mit der Vertragsverlängerung mitten im knallharten Lockdown noch mal kondensiert abgezeichnet. Das hatte viel mit Wertschätzung zu tun. Es wäre für Quartiermeister leicht gewesen, zu sagen: München ist noch im Aufbau, da läufts noch nicht so wie in Berlin, das kappen wir jetzt. Das wurde aber nicht gemacht. Und das hat mir noch einmal gezeigt, wie geil Quartiermeister nach innen und nach außen funktioniert.

 

Hattest du Angst, dass dein Vertrag nicht verlängert werden würde?

Angst ist vielleicht ein zu großes Wort, aber natürlich habe ich mir Gedanken gemacht. Dadurch, dass für Quartiermeister auf einmal finanzielle Probleme durch Corona entstanden sind, habe ich schon gezweifelt, ob die Münchner Vertriebsstelle überhaupt wichtig genug ist. Aber richtige Angst war das wahrscheinlich nicht.

 

Du bist für den Vertrieb von Quartiermeister in München zuständig. Dort ist das Bier weit weniger etabliert als in Berlin oder im Osten Deutschlands. Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor dir. Würdest du sagen, dass Corona dir diese Arbeit zusätzlich erschwert hat?

Stimmt, München und der Süden im Allgemeinen ist im Aufbau. Es gab zwar vor mir auch schon Quartiermeister in München, allerdings nie mit einer Vollzeit-Vertriebsstelle. Dadurch dass durch mich mehr Stunden zu Verfügung standen, konnte innerhalb des letzten Jahres auch mehr passieren. Wir haben seit 2019 ein Lager (lacht). Wir haben nach Jahren endlich einen Händler in München. Das waren Strukturen, die schon vor Corona aufgebaut wurden. Insofern hat Corona den Aufbau in München nicht erschwert, es hat ihn nur stillgelegt.

 

Wie hat sich deine Arbeit verändert als die gesamte Gastronomie erst mal dicht gemacht hat?

Als der Gastro-Stillstand kam, war das krass, aber ich habe diesen Schritt für die richtige Maßnahme gehalten. Trotzdem war das natürlich ein richtiges Brett. Aber da Quartiermeister in München mittlerweile auch im Bio-Einzelhandel vertreten ist, habe ich mich einfach mehr darum gekümmert. Die wenigen Stunden, die ich wegen Kurzarbeit zur Verfügung hatte, wurden durch die Betreuung des Bio-Einzelhandels gut gefüllt. Das war auch sehr betreuungsintensiv, weil der Lebensmitteleinzelhandel mit ganz anderen Problemen konfrontiert war. Würde Quartiermeister Mehl oder Hefe machen, hätten uns alle Läden unsere Produkte abgekauft, aber Bier stand da nun mal nicht ganz so weit oben auf der Liste. Da galt es dann, Überzeugungsarbeit zu leisten, dass wir als Sozialunternehmen gerade in so einer Phase auch Unterstützung vom Handel brauchen. Meine Arbeit hat sich also von der Gastro eher zum Bio-Handel verschoben. Nicht zu vergessen sind natürlich Kioske und Getränkemärkte, die während des Lockdowns tapfer die Stellung gehalten haben. Schon vor Corona waren das wichtige Vertriebskanäle, sind aber auf einen Schlag noch mehr in den Fokus gerückt.

 

Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine zukünftige Arbeit ein? Machst du irgendetwas anders? Gibt es ggf. auch positive Entwicklungen?

Was mir im klassischen Verkaufsgespräch wirklich positiv auffällt, ist das Verständnis füreinander. Irgendwie hocken doch alle im gleichen Boot. Das finde ich positiv, dass man schnell auf einer Ebene ist. Ich kann den Gastronomen besser verstehen und er mich. Ganz grundsätzlich habe ich in den letzten zwei bis drei Monaten die Erfahrung gemacht, dass sich Gastronomen mehr Zeit nehmen und auch die Qualität von guten Produkten wertschätzen. Das hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass über die Corona-Krise ein Spotlight auf die Lebensmittelindustrie gefallen ist, also wie schlimm da teilweise die Bedingungen sind. Umso mehr wissen Leute jetzt wertzuschätzen, was ein gutes Produkt ausmacht.

 

Du bist neben der Vereinszelle der einzige Quartiermeister in München. Wie ging es dir denn als Einzelkämpfer als plötzlich die Uhren stehen blieben?

Ich habe da wirklich eine positive Entwicklung erkannt, einfach, weil wir noch enger im Austausch standen. Die Berliner*innen haben montags ja immer ihre Meisterrunde um 10 Uhr. Daran konnte ich als Münchner natürlich nie teilnehmen. Und jetzt bin ich dabei – weil die Meisterrunde digital ist. Das finde ich geil! Das ist ein toller Start in die Woche und schon allein die halbe Stunde jeden Montag zu hören, wie es den Kolleg*innen geht, macht Spaß und ich fühle mich weniger allein (lacht). In der Münchner Vereinszelle wars die letzten Monate auch sehr still. Jetzt gabs aber kürzlich wieder ein Vereinstreffen, was schön war. Da haben wir auch mal wieder schön gesoffen (lacht). Das hat gutgetan.

 

Quartiermeister würde gerne – wenn es die Zahlen erlauben – im vierten Quartal die Förderung wiederaufnehmen. Wie geht’s dir damit, zu wissen, dass in München dieses Jahr bislang noch keine Fördergelder ausgeschüttet werden konnten?

Ja, das ist natürlich scheiße, denn deshalb gehe ich schließlich jeden Tag ausm Haus. Ich verkaufe Bier, um damit Fördergelder für Projekte einzusammeln. Ich gehe nicht für vermeintliche externe Investoren raus, sondern für die Projekte. Das ist natürlich doof, wenn ich dann dieses Verkaufsargument nicht mehr habe. Aber tatsächlich versteht das auch jeder, dass wir bislang wegen des Liquiditätsengpasses nicht fördern konnten. Es macht nur Sinn, die Förderung erst einmal auf Eis zu legen. Ich freue mich aber natürlich, wenn es dieses Jahr noch klappt.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle und einem zweiten Lockdown anders machen?

Boah, mehr Klopapier und Nudeln kaufen (lacht)? Nee, also ich würde wahrscheinlich nichts anders machen. Ich würde versuchen, entspannter zu sein. Ich mein, wir waren alle auf einmal in Kurzarbeit, auch weil es einfach keine Arbeit mehr für uns gab. Trotzdem stand ich irgendwie mehr unter Strom als während einer 40-Stunden-Woche. Im Falle einer zweiten Welle würde ich versuchen, mehr runterzukommen und entspannter zu sein.

 

Möchtest du noch etwas loswerden?

Ich hoffe, dass die Anzahl an Spinnern, die gegen Maskenpflicht demonstrieren, nicht weiterwächst. Außerdem möchte ich an die Vernunft appellieren: Alle Leute sollen bitte weiterhin vorsichtig sein. Und natürlich viel Quartiermeister trinken.

Corona-Talk mit Andre: „Ich denke, wir werden gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen“

27. August 2020 08:12

annika.bruemmer

Andre ist eines der ältesten Eisen von Quartiermeister. Gemeinsam mit Alex (Vorstandsmitglied vom Quartiermeister e.V.) hat er die Städte Dresden und Leipzig aufgeb(r)aut und seit nunmehr 5 Jahren für den Vertrieb in der Region Ost zuständig. Wie Andre die letzten Monate empfand, erfahrt ihr im Interview.

 

Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?

Zum Anfang als es losging mit den Berichten aus China war das Thema Corona noch sehr weit weg und gar nicht richtig greifbar. Dass das Virus irgendwann Deutschland treffen würde, war Anfang des Jahres sehr unreal für mich.

 

Ab wann hast du Corona als Bedrohung für dich, deine Freunde und Familie, aber für Quartiermeister angesehen?

Als es erste Fälle in Deutschland gab und die Bundesregierung geraten hat, Läden zu schließen, habe ich die Lage als bedrohlicher angesehen. Nicht als bedrohlich für mich persönlich, weil ich keine Vorerkrankungen habe und mich nicht der Risikogruppe zuordne. Für meine Oma hingegen, die mittlerweile 95 Jahre alt ist, bedeutet Corona natürlich schon eine Bedrohung. Wir haben überlegt, wie für sie die nächsten Monate aussehen werden.

Für Quartiermeister habe ich Corona nie richtig als Bedrohung angesehen, weil ich mir sicher war, dass wir durch den Einzelhandel so gut aufgestellt sind, dass wir auf jeden Fall durchkommen. Das habe ich zumindest gehofft.

 

Du warst also immer zuversichtlich?

Schon. Ich feier meinen Job seit fünf Jahren ab. Dass eine externe Sache meine Arbeit aus fünf Jahren einstürzen lässt, hab ich einfach nicht geglaubt. So wie Quartiermeister aufgestellt ist, habe ich es nicht für möglich gehalten, dass uns Corona so hart treffen wird wie andere Unternehmen.

 

Du bist als Vertriebler für die Region Ost als einziger Quartiermeister in Dresden stationiert. Damit kommst du normalerweise gut klar. Hat sich daran in Zeiten von Corona etwas verändert?

So anders war es ja gar nicht. Das ist ja das Spannende, dass der Kontakt zum restlichen Team mir gar nicht gefehlt hat, da ich die anderen normalerweise auch nur vier Mal pro Jahr sehe. Wenn wir kommuniziert haben, dann eh meistens über Telefon. Deshalb hat sich für mich persönlich gar nicht viel verändert. Ich fand das alles ganz ok. Klar, fanden die Quartals- und die Halbjahresauswertung nicht wirklich statt. Nur digital. Das war schon traurig. Aber das ändert sich ja hoffentlich wieder, sodass wir wieder zusammen abhängen können. Dass ich die anderen nun drei Mal pro Woche hätte sehen wollen, war vorher nicht und war auch während Corona nicht (lacht).

 

Du betreust sowohl die Gastro als auch den Handel in deinen Vertriebsgebieten. Wie ging es dir als die gesamte Gastro dicht gemacht hat?

Persönlich halte ich mich nur in der Dresdner Neustadt oder im Hechtviertel auf. Diese Gegenden sind normalerweise stark von Touristen oder Menschen aus den anderen Vierteln bevölkert. Das war zu Zeiten von Corona natürlich ganz anders. Die Gastro war zwar dicht, aber die Leute waren trotzdem draußen, aber halt nur die Neustädter. Die Stadt war dann irgendwie so, wie wir sie uns immer vorstellen: weniger los, weniger Geschreie, nicht so viele Autos, keine E-Scooter,… Die Stimmung war wie an Weihnachten, wenn alle, die nicht aus der Region kommen, nach Hause fahren und nur noch die Locals da sind.

Klar ist es aber auch mein Job, Bier in die Gastronomie zu verkaufen. Während des Lockdowns habe ich mit einigen Gastronomen gesprochen, weil der Kontakt über das Berufliche hinausgeht. Für die Leute war das natürlich echt schwierig, aber einige haben schon versucht, die Zeit für sich zu nutzen, mal durchzuatmen oder zu renovieren.

 

Wie teilt sich deine Vertriebsarbeit prozentual in Gastronomie und Handel auf?

Ich mache um die 20-25 % Vertrieb im Einzelhandel, 10-15 % für Veranstaltungen und den Großteil meiner Arbeit investiere ich in die Gastronomie. Das Verhältnis hat sich – seitdem es langsam wieder losgeht – auch gar nicht so sehr verändert, nur dass ich durch Kurzarbeit weniger Stunden zur Verfügung habe. Ich habe auch das Gefühl, dass die Leute in der Gastronomie jetzt wieder richtig loslegen wollen. Nur den Teil, den ich normalerweise in Events stecke, fällt weg. Den nutze ich nun eher für den Vertrieb im Handel.

 

Wie war es denn während des Lockdowns? Da konntest du ja gar nicht mehr in der Gastro unterwegs sein.

Trotzdem hatte ich Kontakte zu den Leuten in der Gastro. Das sind ja nicht nur Kunden, sondern zum teil auch Freunde oder gute Bekannte.

 

Konntest du deine Arbeit im Handel während des Lockdowns intensivieren?

Eher nicht, weil ich ja gar nicht unterwegs sein konnte. Ich mein, wir hätten im Falle einer Infektion das Virus sonst durch zehn Märkte oder so getragen. Außerdem wollte einen niemand so richtig empfangen im Handel, weil alle genug zu tun hatten. Niemand hatte einen Kopf dafür, neue Produkte aufzunehmen, weil im Handel eh alle total beschäftigt waren. Es sieht momentan so aus, als würden die Infektionszahlen weiter steigen. Da wird der Handel für uns vielleicht Ende des Jahres eine sehr wichtige Rolle einnehmen.

 

Hast du von Kund*innen gehört, die Corona nicht überlebt haben? Und wie geht es dir dabei?

Momentan weiß ich von einem Kunden, der nicht mehr aufmacht. Dem ging es aber auch schon vor Corona nicht so gut. Ich denke aber, dass sich Ende des Jahres oder im nächsten Jahr die Ausmaße erst bemerkbar machen werden. Denn nur die Leute, die in den jeweiligen Städten wohnen, können die Gastronomie alleine nicht retten. Gastro ist immer abhängig von externen Leuten, wie Touristen. Auch über Sportveranstaltungen oder Straßenfeste, zum Beispiel die Bunte Republik Neustadt in Dresden, verdienen Gastronomen gutes Geld. Wenn solche Veranstaltungen weiterhin nicht stattfinden können, ist das natürlich schlecht, weil sie sich mit diesen Einnahmen oft über schlechtere Zeiten im Jahr retten.

 

Wie schätzt du die Auswirkungen von Corona auf deine Arbeit ein? Gibt es ggf. auch positive Entwicklungen?

Bis auf die verkürzte Arbeitszeit habe ich relativ wenig Veränderungen innerhalb meiner Arbeit. Ich habe ein kleines Büro in Dresden, in dem auch ein bis zwei Mal die Woche meine Büro-Kollegin Sandra ist. Das geht aber alles mit Abstand und wir sprechen uns ab, wann wer da ist. Die Maske zu tragen bei Kundenbesuchen finde ich nicht schlimm. Oft gehen wir bei Terminen auch raus und unterhalten uns unter Einhaltung der Abstandsregelungen ohne Maske. Die Maske an sich bedeutet für mich keine Einschränkung. Alles andere hat sich nicht wirklich verändert. Was sich verändert hat, ist, dass wir bei Quartiermeister im Team öfters sprechen – dann halt über Skype.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Für mich persönlich ist positiv, dass gemerkt habe, dass mir mein Coaching aus dem letzten Jahr geholfen hat. Da ging es um Arbeitsstrukturen, die Arbeit im Außendienst, Prioritäten von anderen Bereichen im Leben, wie Freunde, Familie und Sport. Es hat mich lange beschäftigt, neben der Arbeit einen angemessenen Ausgleich zu finden. Für mich zählte eine lange Zeit nur Quartiermeister. Das Coaching hat sich während der letzten Monate ausgezahlt. Durch die Krise hatte ich plötzlich total viel Freizeit. Durch das Coaching stand ich nicht so kopflos da, sodass ich meine Freizeit ziemlich gut gestalten konnte. Ich habe dann gemerkt, dass es mir gut gelingt, von der Arbeit loszulassen. Wäre Corona in den Jahren zuvor gekommen, wäre ich deutlich fertiger gewesen. Dadurch, dass ich heutzutage aber im Reinen bin mit meiner Arbeit und Vertrauen habe in mich, in meine Geschäftsführer und in alle Leute, die bei Quartiermeister arbeiten, war ich sehr optimistisch und konnte da tatsächlich für mich persönlich einige positive Dinge mitnehmen.

 

Und für Quartiermeister?

Ich glaube, die Leute bei Quartiermeister sind enger zusammengerückt, weil es uns allen ähnlich ging. Keiner konnte arbeiten. Durch die vielen Gespräche und Skype-Calls wurde definitiv der Teamzusammenhalt gestärkt. Ich denke also, wenn es irgendwann einen Impfstoff gibt und Corona vorbei sein wird, werden wir gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen. Außerdem haben wir gesehen, dass unser Konzept funktioniert. Äußere Einflüsse können Quartiermeister nicht so viel antun, wie wir es vielleicht noch vor Jahren vermutet hätten. Wir sind eine gute, gefestigte Marke.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich würde versuchen, noch mehr in der Natur unterwegs zu sein. Und endlich meine zwei Puzzle fertigmachen, die ich mir schon während der ersten Welle besorgt habe.

 

Möchtest du noch etwas loswerden?

Ja! Trinkt Quartiermeister und unterstützt andere kleine Marken, die zu strugglen haben. Unterstützt lokale Läden, sei es Gastronomie, der Unverpackt-Laden oder kleine Klamotten-Shops. Kauft lokal und kauft nicht so viel Mist auf Amazon. Geht in euer Viertel, denn das ist der Raum, in dem ihr euch viel aufhaltet und es wäre schade, wenn da alles verschwinden würde.

Corona-Talk mit Max: "Es war klar, dass es irgendwann einen Nachfolger für mich geben muss. Corona hat das wohl beschleunigt"

24. August 2020 09:50

annika.bruemmer

Dank Max gibt es Quartiermeister seit letztem Jahr in Stuttgart, denn bis März 2020 hat er auf einer Basis von 10 Stunden den Vertrieb dort gerockt. Als Mitgründer des ersten Foodsharing-Cafés in Deutschland, der Raupe Immersatt, haben Max ganz andere Dinge als Quartiermeister beschäftigt, als der Lockdown verhängt wurde. Wie Max die letzten Monate erlebt hat, lest ihr im Interview.

Was hast du gedacht als du zum ersten Mal von Corona in den Medien gehört hast?

Das war um die Weihnachtszeit. Da hatte ich mit meinem Vater ein langes Gespräch drüber geführt. Es fühlte sich zwar noch sehr weit weg an, aber wir dachten bereits da, dass sich das Virus sicher schnell verbreiten kann. Danach habe ich Corona irgendwie komplett aus den Augen verloren. Ein Wochenende, bevor der Shutdown kam, war ich zu Besuch in Berlin und habe in der Rummelsbucht gefeiert. Das war ein komplett eskalativer Abend. Corona war so weit weg. Ich hatte eigentlich geplant, das darauffolgende Wochenende wieder nach Berlin zu fahren, weil eine andere Veranstaltung in der Rummelsbucht stattfinden sollte. Und dann kam Freitag, der Dreizehnte. Da war komplett alles durch. Wir waren hier im Café in Stuttgart – in der Raupe Immersatt – und es wurde alles ernst. Die Nachrichten überschlugen sich. Wir haben daraufhin direkt einen Krisenstab ins Leben gerufen. Im Nachhinein finde ich das ziemlich absurd, dass ich kurz vorher noch drüber nachgedacht habe, auf eine Party zu fahren und dann innerhalb von Stunden alles tot war. Das war ein total ambivalentes Verhältnis zwischen dem Ernst der Lage und meinen eigenen Handlungen.

 

Das heißt, Freitag, der Dreizehnte war ein kompletter Twist für dich?

Ja. An diesem Wochenende haben wir im Raupen-Team viel besprochen. Dafür haben wir uns viel Zeit genommen und einiges analysiert. Wir haben dann schon vor der offiziellen Anordnung der Landesregierung den Laden im Innenraum zugemacht. Wir haben bereits an dem Sonntag auf Kiosk-Betrieb umgestellt und nur noch außer Haus verkauft. Also ja, ab dem Zeitpunkt habe ich die Lage sehr ernst genommen. Der komplette Lockdown in Stuttgart kam dann am 18. März. Da war dann alles dicht.

 

Für Quartiermeister machst du 10 Stunden Vertrieb in Stuttgart. Hauptamtlich kümmerst du dich um die Raupe Immersatt, das erste Foodsharing Cafe in Deutschland, das du mitgegründet hast. Wie konntest du diese beiden Aufgaben unter einen Hut bringen? Die Raupe war ja durch den Lockdown auch hart getroffen.

Tatsächlich gar nicht. Das war ja auch dann ein Grund, weshalb Peter und ich im Einvernehmen beschlossen haben, dass sich unsere Wege – also Quartiermeisters und mein Weg – trennen. Wir waren mit der Raupe im totalen Krisenmanagement. Wir mussten entscheiden, was wir mit unseren Mitarbeitenden machen. Wir haben jede Soforthilfe mitgenommen, wir waren in den Startlöchern für Kurzarbeit. Das haben wir dann aber doch nicht gemacht, weil wir einigermaßen gute finanzielle Rücklagen gebildet hatten. Und wir fanden es besser, nicht in Kurzarbeit zu gehen und unsere Mitarbeitenden voll zu zahlen. Ich habe die Zeit aber auch genutzt, um mal durchzuatmen. Ich war dann länger zu Hause, hab viel im Garten gemacht.

 

Das heißt, du konntest dann nicht mehr für Quartiermeister arbeiten, weil ihr wegen Corona mit der Raupe so beschäftigt wart?

Ich würde nicht sagen, dass es nur an Corona lag. Ich glaube, die Umstände haben aber noch mal mehr aufgezeigt, dass ich eigentlich zu viel arbeite. Peter und ich hatten ein wirklich schönes Gespräch, in dem er mir dann auch gesagt hat, dass es ja irgendwie immer klar war, dass ich als Geschäftsführer von einem Projekt nicht unbedingt noch viel nebenbei machen kann, weil man ja auch über jede Minute Freizeit froh ist. Für den Anschub in Stuttgart hat das mit mir ganz gut gepasst, denke ich, weil ich in Stuttgart einige gute Kontakte zu Gastronomen habe. Dadurch fiel es eventuell auch leichter, Quartiermeister in dem ein oder anderen Laden unterzubringen – oder auch bei den zwei Getränkehändlern, was durch die Raupen-Connection ziemlich einfach ging. Es war uns aber klar, dass es irgendwann einen Nachfolger geben muss, weil ich nicht mehr als 10 Stunden machen kann. Corona hat das Ganze vielleicht ein wenig beschleunigt.

Wenn wir eine neue Person finden, dann würde ich mit dieser Person auf jeden Fall eine Übergabe-Zeit machen – auch wenn ich nicht mehr offiziell bei Quartiermeister arbeite. Das ist mir super wichtig. Dass wir dann zusammen zu den zwei Getränkehändlern fahren und in die Läden, wo Quartiermeister in Stuttgart verkauft wird. Da sehe ich mich voll drin, dass ich das noch mache und ordentlich übergebe.

 

Das ist ja lieb!

Was heißt lieb? Ihr wart ja genauso lieb (lacht). Das ist für mich irgendwie selbstverständlich.

 

Max, durch dich gibt’s Quartiermeister überhaupt in Stuttgart und durch dich können wir in Stuttgart hoffentlich bald Projekte fördern. Wie geht’s dir denn damit, dass du bei Quartiermeister jetzt raus bist?

Ich finde das tatsächlich ein bisschen traurig, weil mir die Arbeit richtig Spaß gemacht hat: durch die Stadt touren und in Läden über das Konzept von Quartiermeister zu sprechen. Und ich wünsche mir sehr, dass wir eine Person finden, die das mit genauso viel Herzblut macht. Ich bleibe aber auch nach wie vor mit Quartiermeister verbunden, weil es das Bier weiter in unserem Laden geben wird. Peter meinte auch, dass wir in Berlin noch einen kleinen Abschied feiern werden. Das ist das, was ich am traurigsten finde: Durch Corona ist alles etwas verflossen. Ich war dann total ad hoc raus aus den Gesprächen. Das ist durch das Virus irgendwie etwas blöd gelaufen. Dass wir den Abschied noch einmal nachholen, finde ich cool.  

 

Momentan gibt es noch keinen Ersatz für dich. Glaubst du, dass es Quartiermeister nach wie vor in Stuttgart geben wird?

Ich denke, die Läden, in denen es Quartiermeister gibt, halten daran fest. Dahinter stehen überall Menschen, die total vom Konzept und vom Produkt überzeugt sind. In der Raupe ist Quartiermeister auch gesetzt und die Nachfrage ist da. Ich glaube, Quartiermeister bleibt auf jeden Fall in Stuttgart.

 

Was waren für dich die größten Herausforderungen, die mit Corona einhergegangen sind?

Für uns in der Raupe waren wir hauptsächlich mit Teamprozessen beschäftigt. Die Pandemie hat dazu geführt, dass wir bei uns gewisse Dinge angehen. Das waren hauptsächlich persönliche Vorstellungskonflikte. Wir haben die Raupe zu fünft gegründet. Das ist unser Baby. Dadurch, dass wir alle nebenbei noch andere Dinge gemacht haben, hatte die Raupe bei den verschiedenen Leuten eine andere Priorität. Da sind wir oft aneinandergeclashed. Da gings viel um Zukunftsvorstellungen: Wer führt die Raupe weiter? Bleiben wir in der Fünfer-Konstellation? Öffnen wir uns? Nehmen wir Neue mit ins Kernteam? Wir sind nicht fünf Freunde, die gemeinsam eine Idee gesucht haben, sondern die Idee war da und die fünf Leute haben sich gefunden. Da gings also tatsächlich viel um Persönliches. Jetzt sind zwei neue Leute mit ins Team gekommen. Das hat viel Energie und frischen Wind in die Orga gebracht. Wir haben dann Zukunftswerkstätten veranstaltet, Teamcoachings. Wir sind intern ganz viel angegangen. Im Betrieb haben wir viel Neues ausprobiert: Kioskbetrieb, eine Soli-Küche für Obdachlose, neuer Außenbereich, … Das war eine richtige Achterbahnfahrt, was den Betrieb anging.

Wir haben in der Zeit sehr viel Solidarität von den Menschen entgegengebracht bekommen, die normalerweise wir geben. Im Kioskbetrieb haben uns die Leute teilweise kistenweise Bier abgekauft, weil die total scharf auf die Produkte waren, die wir hier anbieten. Das hat echt Bock gemacht.

 

Hattest du manchmal Angst, dass die Raupe Immersatt nicht überleben wird?

Nein. Wir sind mit nem großen Gewinn aus dem letzten Jahr herausgegangen, weil wir uns als Vorstand keine Gehälter ausgezahlt haben. Deshalb hatten wir ein gutes Grundkapital. Damit konnten wir drei, vier Monate auch ohne Betrieb über die Runden kommen. Andere Gastronomen haben ab Tag 1 gesagt, dass sie es nicht schaffen werden. Gastronomie ist ein Geschäft, das oft auf Kante genäht ist.

 

Das heißt, du kennst Gastronomen, die den Lockdown nicht überlebt haben?

Ja, es gibt zwei Läden, die ich kenne, die jetzt geschlossen haben.

 

Als Gastronom hast du sicher Ängste vor einem zweiten Lockdown. Wie wahrscheinlich hältst du es, dass wir kurz vor einer zweiten Welle stehen?

Ich halte es schon für wahrscheinlich, weil die Fallzahlen wieder steigen. Man wird generell unvorsichtiger und nimmt das Ganze nicht mehr so ernst. Das merke ich auch bei mir selbst. Wir hatten z.B. im Juni unser Einjähriges. Da kamen viele Leute und die Bude war auf einmal voll. Solche Situationen sind besonders in Räumen echt schwierig, da die Belüftung fehlt. Sobald die Belüftungssituation gut ist, hat das Virus weniger Chancen auf Grund von Aerosol in der Luft oder weil die direkte Infektion unwahrscheinlicher ist. Sprich: Wenn im September oder Oktober wieder mehr drinnen stattfindet, finde ich das ganz schön schwierig. Ich bin gespannt und hoffe, dass das Virus weiter ernstgenommen wird.

 

Wie handhabt ihr das mit den Hygieneregeln in der Raupe?

Wir sind strenger als die Auflagen. Bei uns gilt nach wie vor Maskenpflicht in der Räumlichkeit – sowohl für Gäste als auch für Mitarbeitende. Offiziell müsste nur das Service-Personal eine Maske tragen. Das finden wir aber seit Beginn ziemlich irrsinnig. Warum sollte ich als Servicekraft die andere Person schützen, aber nicht andersherum? Deshalb gibt’s in den Räumlichkeiten eine Maskenpflicht. Wie beim Einkaufen. Der Fairteiler-Schrank wird ganz normal befüllt. Da gibt’s weiterhin Selbstbedienung. Allerdings mit vielen Hinweisschildern zum Händewaschen. Das zu kontrollieren, sehen wir auch als eine Aufgabe von uns als Personal an. Wir selbst waschen uns nach jedem Geldkontakt die Hände.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich, die Raupe und für Quartiermeister ziehen?

Am Anfang der Krise habe ich eine Welle von Solidarität empfunden. Dann kam aber schnell die Forderung „zurück zur Normalität“. Das ging für mich gar nicht klar. Das ist doch jetzt die Chance, gesamtgesellschaftlich Dinge besser zu machen.

Für mich persönlich war die Krise ein Zeichen, mehr auf mich selbst zu achten und mit meinem Pensum herunterzufahren. Ich möchte mir mehr Zeit für mich und für Freunde nehmen und nicht sieben Tage die Woche arbeiten. Ein Schritt ist nun traurigerweise, dass ich nicht mehr für Quartiermeister arbeite.

Positiv für die Raupe waren die teaminternen Prozesse, die wir angegangen sind. Was Quartiermeister betrifft, habe ich Dinge ja nur noch von außen mitbekommen. Allerdings fand ich es krass, was so teamintern lief. Ich glaube, man kommt als Team in so einen coolen Modus. Von außen ist das unsichtbar, aber von innen heraus muss man zusammenhalten. Das habe ich bei Quartiermeister auch so wahrgenommen: den Zusammenhalt.

 

Wie hast du denn von diesem Teamspirit mitbekommen, von dem du jetzt sprichst? Du warst ja schon raus…

Ich habe mir natürlich immer die Protokolle durchgelesen (lacht). Das mache ich immer noch. Es interessiert mich schon, was bei Quartiermeister abgeht. Ich habe auch mit Peter ein paar Mal telefoniert.

 

Glaubst du, dass du in Zukunft wieder für Quartiermeister arbeiten kannst oder willst?

(Lacht). Also wollen würde ich das gerne, weil ich die Zeit richtig geil fand. Die Teamtreffen haben mir immer viel Spaß gemacht, weil bei Quartiermeister geile Leute sind. Wer weiß, wo die Reise hingeht? Es kann alles passieren, deshalb treffe ich da mal keine Aussage.

 

Gibt es etwas, was du jetzt noch loswerden möchtest?

An Quartiermeister möchte ich loswerden, dass wir unbedingt das Alkoholfreie im Süden brauchen. Und sonst… Naja, also ich finde, die Corona-Zeit ist eine Zeit, um sich über gewisse Dinge bewusst zu werden. Und ich bin etwas traurig, dass das von politischer Seite aus nicht wirklich genutzt wurde. Es ging darum, die Großen zu retten und die Kleinen müssen zusehen, wo sie bleiben. Eigentlich bietet diese Phase eine gute Grundlage, um viele gesellschaftliche Themen zu reflektieren. Deshalb nervt mich die Einstellung „zurück zur Normalität“ auch so sehr. Ich wäre eher für „auf zu neuen Ufern“. Was können wir besser machen als Gesellschaft? Wie kriegen wir es hin, dass uns eine Pandemie nicht nochmal so beuteln würde? Was hat uns die Pandemie über unser Gesundheitssystem gezeigt? Wie ist unser Verhältnis zu Tieren und was hat das mit der Pandemie zu tun? Wann hören wir endlich auf, auf Kosten von Menschen in Ländern des Globalen Südens zu leben? Fragen über Fragen.

Corona-Talk mit Nele: "Ich hoffe, dass bald wieder Projekte gefördert werden können"

20. August 2020 08:55

annika.bruemmer

Nele absolviert bei Quartiermeister ihr Freies Ökologisches Jahr und ist jeweils zur Hälfte für den Verein und die GmbH im Einsatz. Durch den Stillstand der Projektförderung und den Wegfall aller Veranstaltungen wurde auch Neles Job bei uns einmal umgekrempelt. Wie das für Nele war, lest ihr im Interview.

 

Was ging dir im Kopf vor als David und Peter am 13. März in einer Skype-Session angekündigt haben, dass alle Quartiermeister*innen ab April in Kurzarbeit gehen müssen?

Es ging alles sehr schnell. Wir hatten an einem Freitag diesen einen Skype-Call. Da hat sich das Ganze schon langsam angebahnt. Und dann haben wir am Montag noch mal alle gemeinsam gesprochen, da klang alles viel dramatischer. Peter und David hatten an dem Wochenende wohl viel besprochen und vieles durchgerechnet. Am Freitag hatte ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht, aber am Montag wurde es dann richtig ernst. Das hat mich ziemlich verunsichert. Ich hatte ein richtig mulmiges Gefühl. Das war krass, weil plötzlich diese Ungewissheit da war. Ich wusste einfach nicht, was jetzt passiert, aber das wusste niemand. Ich fand es jedoch sehr cool, wie wir dann im Team über alles geredet haben und dass David und Peter direkt so offen und transparent waren. Und dass alle Mitarbeitenden ihre Ängste und Gefühle kommuniziert haben. Das hat mich auch ziemlich beeindruckt.

 

Als FÖJlerin bist du zu 50 % für die GmbH und zu 50 % für den Verein im Einsatz. Hat sich etwas an diesem Verhältnis durch Corona verändert?

Nicht wirklich. Ich habe einfach insgesamt weniger zu tun gehabt mit komplett anderen Aufgaben. Es gab Phasen, in denen ich nur für den Verein und nur für die GmbH gearbeitet habe. Aber insgesamt hat sich dieses Verhältnis gehalten.

 

Wie haben sich deine Aufgaben verändert?

Naja, dadurch, dass der Sommer vor der Tür stand, hätten eigentlich alle möglichen Veranstaltungen stattgefunden, die natürlich weggefallen sind. Daran hätte ich normalerweise viel gearbeitet. Oder Projektbesuche, die ich im Regelfall durchführe, gingen auch erst mal nicht. Damit konnte ich nun langsam wieder anfangen. Ich besuche aber hauptsächlich Projekte im Freien, wie z.B. Gemeinschaftsgärten. Sonst fiel eher Verwaltungskram für den Verein an, da wir uns nicht mehr treffen konnten. Und weil die Förderung ausgesetzt wurde. Deshalb standen meine normalen Aufgaben nicht mehr im Vordergrund. Für das Unternehmen war auch einfach weniger zu tun. Ich habe dann Dinge wie Paketversand übernommen oder bin mal ins Büro gefahren, wenn dort kleinere Dinge erledigt werden mussten. Ich habe versucht, flexibel zu sein.

 

Quartiermeister musste durch Corona und die damit verbundenen Einsatzbußen die geplante Förderung einfrieren. Wie denkst du darüber?

Ich finde das richtig traurig, aber ich denke, dass es einfach notwendig ist. Ich habe 100%iges Vertrauen in Peter und David und in den Vorstand, dass sie diesbezüglich den Überblick haben und die richtige Entscheidung getroffen haben.

 

Wie hast du die öffentliche Wahrnehmung dazu empfunden?

Ich habe das Gefühl, dass alle Verständnis für diese Entscheidung haben. Ich hatte anfangs etwas Angst, dass manche diese Entscheidung nicht verstehen, gerade auch, weil natürlich auch die Projekte in dieser Zeit finanzielle Unterstützung gut gebrauchen könnten. Aber alle, mit denen ich gesprochen habe, haben unsere Entscheidung verstanden. Vielleicht auch, weil einfach alle gerade ähnliche Probleme haben. Dadurch, dass Quartiermeister seit zehn Jahren immer Projekte gefördert hat, und die Förderung jetzt zum ersten Mal ausgesetzt wurde, glaube ich nicht, dass sich irgendjemand etwas dabei denkt.

 

Hast du in den letzten Wochen und Monaten mit Projekten gesprochen?

Ja, ich hatte mit ein paar Projekten E-Mail-Kontakt. Es hat sich auch ein Projekt gemeldet, das Hilfe braucht. Im Juni habe ich angefangen, die Projektbesuche wieder aufzunehmen.

 

Haben die Projekte auch mit den aktuellen Umständen zu kämpfen?

Ja, voll! Es betrifft irgendwie echt alle. Viele haben finanzielle Probleme. Dadurch, dass keine Veranstaltungen stattfinden, fehlen vielen Projekten Einnahmen. Den Projekten, die auf Spenden angewiesen sind, geht es auch nicht gut. Das hat sicher etwas damit zu tun, dass wir momentan in einer Zeit leben, die mit sehr viel Unsicherheit verbunden ist und viele Leute, die sonst spenden, nun ihr Geld zusammenhalten. Wenn es sich nicht um finanzielle Probleme handelt, dann gibt’s bei vielen Projekten momentan eine Art Stillstand in der Vereinsarbeit.

 

Dein FÖJ endet im August. Gibt es etwas, das du Quartiermeister wünschst?

Ich finde Abschiede immer super schwer und ich hoffe, dass wir in Kontakt bleiben. Ich wünsche Quartiermeister, dass die Corona-Schwierigkeiten bald vorbei sind und dass es bald wieder richtig losgehen kann. Ich hoffe, dass bald wieder Projekte gefördert werden können und dass Quartiermeister immer bekannter und erfolgreicher wird und gleichzeitig seinen Werten treu bleibt. Und dass das Team so cool bleibt wie es jetzt ist.

Corona-Talk mit Julia: "Im Falle eines zweiten Lockdowns würde ich schauen, wer in meinem Umfeld wirklich Hilfe und Unterstützung benötigt"

18. August 2020 10:28

annika.bruemmer

Heute im Corona-Talk: Julia, unsere studentische Hilfskraft und ehemalige Power-Praktikantin. Julia sollte pünktlich zum Corona-Start gerade mit ihren neuen Aufgaben bei Quartiermeister richtig durchstarten. Wie es ihr als brandneues Team-Mitglied in den letzten Monaten ergangen ist, lest ihr im Interview.

 

Liebe Julia, wie hast du dich gefühlt als du zum ersten Mal von Corona gehört hast?

Als die Nachrichten aus Wuhan kamen und aus China, habe ich zunächst gedacht, dass das alles viel zu weit weg ist und uns gar nicht betrifft. Ich habe eigentlich großes Vertrauen in Deutschland als politisches System und als Staat und dachte mir, dass uns Corona durch entsprechende Regulierungen gar nicht erreichen wird. Zumindest nicht in dem Maße, in dem es uns dann erreicht hat. Als wir dann im Team den Beschluss gefasst haben, dass wir alle ins Homeoffice gehen, war das schon relativ krass für mich. Ich bin dann noch mit meiner Mitbewohnerin mit dem Auto ins Büro gefahren und habe alles geholt, was ich zum Arbeiten brauche. Da habe ich dann Annika und Marko getroffen als die gerade gegangen sind. Da wurde mir bewusst, dass es sein kann, dass wir uns alle für ein paar Monate gar nicht mehr sehen. Ab dem Zeitpunkt fand ich das alles schon sehr krass und auch beängstigend.

 

Als studentische Hilfskraft konnte für dich kein Kurzarbeitergeld beantragt werden. Hattest du jemals Angst, dass Quartiermeister dich nicht weiter beschäftigen kann?

Zu Beginn definitiv. Mein Arbeitsvertrag ging zunächst nur bis April. Da wusste ich kurzzeitig gar nicht, ob es für mich bei Quartiermeister als Studentin weitergehen kann. Ich hatte dann sehr schnell intensiven Kontakt mit David und wusste, dass ich ihn immer fragen kann, wie es aussieht, wie der Plan ist. Dadurch sind meine Sorgen schnell kleiner geworden, weil ich wusste, dass ich Rückhalt im Team habe und alles ansprechen konnte, ohne Angst haben zu müssen.

 

Dein Vertrag wurde dann auch verlängert …

Genau, mein Vertrag wurde dann zunächst bis August verlängert. Das hatte damit zu tun, dass mein Studium dann zu Ende gegangen wäre. Jetzt fange ich im Herbst meinen Master an und werde auch weiter bei Quartiermeister als Studentin bleiben. 

 

Du unterstützt hauptsächlich Sylvie bei der Buchhaltung und Lagerplanung. Was hat sich für dich und deine Arbeit in Zeiten von Corona verändert?

Man muss dazu sagen, dass ich erst im Februar wiedergekommen bin. Ich hatte zuvor schon ein Praktikum bei Quartiermeister gemacht, allerdings in einem ganz anderen Bereich. Deswegen sollte ich im Februar und März eigentlich in die neuen Aufgaben eingearbeitet werden. Diese Einarbeitungsphase ist dann zum Teil einfach weggefallen, was mich zunächst auch überfordert hat. Dadurch, dass die Arbeit auf ein Minimum reduziert wurde, wusste ich teilweise gar nicht, woran ich bin. Wir haben das aber relativ schnell lösen können. Dadurch, dass Sylvie, David und ich in einen engeren Austausch gegangen sind. Sobald dann die Lockerungen kamen, bin ich wieder mehr ins Büro gegangen und hatte so einen besseren Austausch und etwas mehr Orientierung. Jetzt klappt‘s echt wieder richtig gut.

 

Kannst du etwas Positives aus der Krise für dich und für Quartiermeister ziehen?

Für mich war Corona eine Orientierungsphase. Ich bin mit meinem Bachelor fertig geworden und wusste eigentlich gar nicht, wo ich hinmöchte. Durch die ganze Entschleunigung konnte ich viel nachdenken und habe mich entschlossen, mein Masterstudium aufzunehmen. So kann ich auch bei Quartiermeister bleiben. Mit dieser Entscheidung fühle ich mich richtig wohl. Ich habe mir also ein neues Ziel setzen können, was sonst vielleicht gar nicht hätte funktionieren können.

Was Quartiermeister betrifft, finde ich, dass wir noch enger zusammengewachsen sind. Man merkt einfach, dass es auch anders funktionieren kann. Man muss nicht immer den Kopf in den Sand stecken, sondern es gibt Möglichkeiten. Von daher denke ich, dass das Ganze schon etwas Positives hat.

 

Denkst du da an bestimmte Möglichkeiten?

Ja, zum Beispiel die Sache mit dem Stay Home Club. Dadurch, dass ich viele Verwaltungsgeschichten in Zahlen vor mir sehe, war ich auch total beeindruckt, was mit dem Lebensmitteleinzelhandel passiert ist. Ich habe dann schon gedacht, dass COVID-19 nicht das Todesurteil bedeutet, sondern dass sich immer wieder neue Wege finden lassen. Klar ist die Situation scheiße und man ist eingeschränkt, aber man kriegt es schon irgendwie hin – ob als Unternehmen oder auch privat.

 

Was würdest du im Falle einer zweiten Welle anders machen?

Ich finde die Frage schwierig. Man merkt das ja an sich und am eigenen Umfeld: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wenn es tatsächlich zu einem zweiten Lockdown kommt, bin ich gespannt, wie das im Umfeld aufgenommen wird. Anders machen würde ich wahrscheinlich gar nicht so viel. Ich denke, dass wir alles noch ernster nehmen sollten. Ich selbst habe anfangs viele Dinge belächelt und mir gedacht, dass das alles schon nicht so schlimm werden wird. Es kam dann die Zeit, in der ich meine eigene Verantwortung gespürt habe. Ich denke, dass ich mir in einigen Punkten weniger Sorgen und in anderen mehr Sorgen machen würde. Ich empfinde Corona für mich persönlich nicht unbedingt als gesundheitliche Bedrohung. Ich würde mir um mich selbst wahrscheinlich weniger Sorgen machen und mich eher nach außen orientieren und schauen, wer in meinem Umfeld wirklich Hilfe und Unterstützung benötigt.