Endlich Exit

Autor lisa.wiedemuth

Erstellt am 31. März 2017 22:24


Man munkelte schon lang: Bier trinken, Gutes tun, das klingt doch eher nach einem schlechten Scherz. Tatsächlich hat das Sozialunternehmen jedoch in den letzten Jahren schon fast 70.000€ an gute Nachbarschaftsprojekte ausgeschüttet. Jetzt ist allerdings offiziell Schluss mit Kies für den Kiez: „Wir haben jahrelang geschuftet. Es wird Zeit zu kassieren! “, so Co-Gründer David Griedelbach. Was bedeutet das für die soziale Biermarke und das Unternehmen?

Als der Gründer Sebastian Jacob vor sieben Jahren Quartiermeister ins Leben rief, handelte er aus einem rein intrinsischen Motiv. „Ich wollte Konsum zu einer guten und nachhaltigen Tat machen!“, erzählt der Familienvater. Seine Stimme stockt bei diesen Worten, ihm fällt es schwer, die Tränen zurück zu halten. Er sei überaus fassungslos über den Verkauf. Zwischen 2010 und 2012 kümmerte er sich gemeinsam mit dem Verein um den Vertrieb des Bieres, vollkommen ehrenamtlich. Nach der Insolvenz der ersten Brauerei stand die Unternehmung vor dem Aus, doch die Vereinsmitglieder Peter Eckert und David Griedelbach erklärten sich bereit, einen professionellen Neustart zu wagen. Wie jetzt bekannt wird, nicht ohne Hintergedanken: „Die Idee, also Saufen für den guten Zweck, war der Wahnsinn. Social Entrepreneurship ließ sich gut verkaufen. Uns war klar: Wenn wir das jetzt drei, vier Jahre einigermaßen glaubhaft durchziehen, dann wird irgendwann der Durchbruch kommen. Dann müssen wir eigentlich nur noch den perfekten Absprung schaffen!“, so David Griedelbach. Dieser Moment hat sich in den letzten Monaten angedeutet und ist nun gekommen. Peter Eckert ergänzt: „Wir wurden immer wieder gefragt: Wieso wachst ihr so langsam? Wieso macht ihr keine Werbung? Also wenn wir ehrlich sind, hatte das wenig mit unseren Prinzipien oder unserer Unabhängigkeit zu tun. Eigentlich waren wir einfach nur faul! Mit der Zeit haben wir aber gemerkt, dass wir mit wenig Arbeit trotzdem relativ viel Kohle einfahren. Das haben dann auch irgendwann die großen Player mitbekommen.“. Einer der deutschlandweit größten Bierkonzerne wird die GmbH übernehmen. Man verspricht sich ein hohes Wachstumspotenzial: „Uns geht es weniger um den sozialen Gedanken, als die Tatsache, dass Quartiermeister ein gutes, süffiges Pils ist. Der Craft-Beer-Markt wird derzeit überschwemmt. Wir möchten junge Menschen dazu bewegen, sich wieder auf die alten, traditionellen Werte zurückzubesinnen. Was dem Unternehmen bisher fehlt, ist das richtige Marketing. Wir werden als erstes in neue Sponsoringmaßnahmen und Vertriebsstrukturen investieren. Ohne Kühlschränke und Provision geht da gar nichts!“ Auch ein Quartiermeister-Truck ist in Planung. Wird unter diesen Investitionen die Förderung der Nachbarschaftsprojekte leiden? Der soziale Erlös des Bieres wird laut der derzeitigen Gesellschafter nicht aufgegeben, reduziert sich jedoch erstmal von 10 Cent auf 1 Cent pro Liter. Und wer entscheidet dann, wohin das Geld fließt? „Abstimmungen machen dann keinen Sinn mehr. Wir sind aber überrascht, wie viele gute Ideen die neuen Gesellschafter mitbringen. Ein Investor hat bspw. vorgeschlagen Pop-Up-Shops am Kottbusser Tor zu finanzieren, um dem Platz seinen schlechten Ruf zu nehmen und der Szene den letzten Schliff zu verpassen“, schwärmt die Mitarbeiterin Lisa Wiedemuth. Der Verein wusste von den Plänen seines Partnerunternehmens bisher noch nichts und ist derzeit zu keiner Stellungnahme bereit. „Wir mussten das schnell und geheim über die Bühne bringen. Unser Verein sprach schon seit längerem vom Schutz unserer Marke. Einzelne Mitglieder wollten gemeinsam mit dem Gründer Sebastian Jacob einen Marken e.V. gründen, der es quasi unmöglich gemacht hätte, uns zu veräußern! Das haben wir zum Glück rechtzeitig verhindert.“, so Griedelbach. Braumeister Glaab aus der Partnerbrauerei Wittichenau gibt sich wie so oft eher unbeeindruckt: „Was soll ich dazu sagen? Bier bleibt Bier. Solange Preis und Abnahmemenge stimmen, sehe ich da keine Probleme!“. Der Trade Sale von Quartiermeister ist seit gestern endgültig besiegelt. Über den exakten Kaufpreis wird Stillschweigen bewahrt, aber Kenner der Branche vermuten einen siebenstelligen Betrag. Was haben die beiden Gründer nach der Übernahme vor? „Wir stecken weiterhin Kies in den Kiez und wollen jetzt mit Immobilien Quartiere wie Lichtenberg lebenswerter machen! Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragt Peter Eckert lächelnd und streicht liebevoll über seine etwas zu große Armbanduhr.


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