Ostsicht-Festival 2017 - Mt Edutainment gegen den Rechtsdruck!

Förderzweck

400€

Mittelverwendung: Honorar Künstler*innen

Nicht erst der Brexit und die US-Präsidentschaftswahl haben gezeigt, dass nationalistische und isolationistische Politik wieder zunehmenden Widerhall in der Gesellschaft erfahren. In ganz Europa drängen Rechtspopulisten verstärkt in die Parlamente. Bisher spielte dieses Phänomen in Deutschland noch eine vergleichsweise geringe Rolle, doch die Ergebnisse der Landtagswahlen 2016, bei denen die AfD erstaunliche Erfolge feiern konnte, lassen im Bezug auf die anstehende Bundestagswahl befürchten, dass deren selbstgestecktes Ziel, über 20 Prozent der Wählerstimmen zu gewinnen, realistischer sein dürfte als einem lieb ist. Daneben sorgen die Fremdenfeinde der Gida-Bewegung seit über 2 Jahren für gesellschaftliche Zerwürfnisse bis in Familien hinein, während sie sich selbst als Sprachrohr einer "schweigenden Mehrheit" stilisieren, die sich von der bundesdeutschen Politik nicht mehr vertreten, sondern verraten fühlt. Folge dieser Politikverdrossenheit ist eine sinkende Wahlbeteiligung, vor allem auch in den neuen Bundesländern.
Die Ursachen für den zunehmenden oder andernorts andauernden Erfolg populistischer Bewegungen, die ihren Aufstieg dem Prinzip der einfachen Erklärungen für komplexe Zusammenhänge zu verdanken haben, wofür sie sich menschenverachtender und demokratiefeindlicher Argumentationen bedienen und Minderheiten gegeneinander ausspielen, sind vielschichtig und entziehen sich in vielen Teilen unserem direkten Einfluss. Dass viele Menschen arglos diesen vereinfachten Weltbildern anhängen und Zusammenhänge und Hintergründe missachten, ihnen also schlicht auch das Wissen über ihre demagogischen Heilsversprecher fehlt, ist unserer Meinung nach ein Grund für diese Entwicklung.

Darüber hinaus beobachten wir eine weitverbreitete Resignation in Bezug auf die eigene gesellschaftliche Rolle und Wirkmächtigkeit, sei es die fehlende Bereitschaft, sich an Wahlprozessen zu beteiligen, oder die gefühlte Ohnmacht, gegen Ungerechtigkeit wie Diskriminierung eintreten zu können. Über diesen Zuständen wollen wir nicht selbst resignieren, sondern aktiv an deren Veränderung mitwirken. Als Zusammenschluss junger Leipziger*innen, die vor dem Hintergrund des (inter-)nationalen politischen Rechtsrucks mit Besorgnis auf die bevorstehende Bundestagswahl schauen, möchten wir gemeinsam aktiv werden und uns für Vielfalt, Toleranz und gegen meinschenverachtende und demokratiegefährdende Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus und rechtsextreme Tendenzen in Sachsen einsetzen. Angelehnt an ähnliche Projekte wie dem "Stay Rebel"-Festival oder dem "Stains in the Sun"-Festival, die in der Vergangenheit mehrfach erfolgreich in Chemnitz, Limbach-Oberfrohna und Schwarzenberg durchgeführt und dafür wiederholt prämiert wurden, werden wir am 16. September 2017, also in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl, das politisch-kulturelle Ostsicht Festival im Stadtteilpark Rabet im Leipziger Osten durchführen. Durch Vorträge, Workshops und Filmvorführungen in Verbindung mit einem vielseitigen Kulturprogramm unterschiedlicher musikalischer Stilrichtungen und Kunstworkshops wollen wir junge Menschen animieren, sich für politische Prozesse und Problemlagen zu interessieren, als Wähler*innen daran teilzunehmen und sich auch im Alltag für demokratische Werte und gegen Ideologien der Ungleichwertigkeit zu engagieren.

Träger des Projekts ist der gemeinnützige Bildungsverein Parcours e.V., der unter anderem Workshops, Vorträge und Projekttage zu Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Antisemitismus, Rechtsextremismus und Neue Rechte im Allgemeinen, aber auch begleitete Gedenkstättenfahrten anbietet und für die Bildungsangebote auf dem Ostsicht Festival verantwortlich ist. Als Verein verfolgen wir das Ziel, das Angebot in der schulischen und außerschulischen Bildung zu ergänzen und zu erweitern und die Teilnehmer*innen unserer Seminare zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit und aktuellen Erscheinungsformen des politisch rechten Spektrums zu ermächtigen. Die Sensibilisierung für verschiedene Formen der Ablehnung, Abwertung und Ausgrenzung anderer Menschen, insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, ist uns dabei ein zentrales Anliegen. Unser Hauptziel ist es, die Besucher*nnen unseres Festivals zu überzeugen, für demokratische Grundwerte
einzustehen und bei der kommenden Bundestagswahl ihre Stimme abzugeben. Indem wir politischen Themen das dröge Image nehmen und stattdessen in einer fröhlichen Umgebung Bezüge zu den Lebenswelten junger Menschen herstellen, wollen wir erreichen, dass sich die Besucher*innen über die eigenen Filterblasen und Echokammern hinaus mit Spaß und Gewinn mit Politik auseinandersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, sehen wir es als notwendig an, dass wir einerseits das politische Interesse der Besucher*innen wecken und sie sich als mündige Bürger*innen begreifen, deren Teilnahme an politischen Prozessen gefordert ist. Andererseits wollen wir mit unseren Bildungsangeboten erreichen, dass die Besucher*innen demokratiegefährdende Phänomene er-/kennen und in der Lage sind, politische Inhalte kritisch zu hinterfragen.

Wir haben in Leipzig das Privileg, bereits ein vergleichsweise breites zivilgesellschaftliches Engagement vorzufinden, das in der Vergangenheit wiederholt erfolgreich gegen die fremdenfeindlichen Aufmärsche von Legida mobilisiert werden konnte. Doch darauf wollen wir uns nicht ausruhen, denn uns ist bewusst, dass diese Bewegung nur einen kleinen Teil der Leipziger Bürger*innen repräsentiert, der ohnehin schon ein gefestigtes demokratiebewusstes Weltbild besitzt. Daher möchten wir Personen ansprechen, die politisch bisher uninteressiert waren und/oder die ihr politisches Ausdrucksfeld nicht in einer Demonstration sehen. Mit der Verknüpfung von Bildung und Unterhaltung wollen wir gezielt junge Menschen im Alter von 18 bis 25, also v.a. Jung- und Erstwähler*innen, motivieren, sich in entspannter und fröhlicher Atmosphäre mit politischen Themen auseinanderzusetzen, eigene Standpunkte zu entwickeln und diese zu vertreten. Unterstützt werden wir dabei bisher vom Ladenprojekt e.V., den RAA Sachsen, den Drugscouts, Amnesty International und Rassismus tötet! Leipzig. Weitere Vernetzungen bzw. Kooperationen mit dem OstLicher - Stadtteilkulturestival, dem Pöge-Haus, Jugend gegen Rechts, Jugendliche ohne Grenzen sowie dem örtlichen Jugendclub sind ebenfalls in Vorbereitung. Über das Konzept des Edutainments, d.h. die Verbindung von Bildung und Unterhaltung, wollen wir junge Menschen motivieren, eine politische Veranstaltung zu besuchen, bei der andernfalls das Label des „Politischen“ möglicherweise eher auf Ablehnung stieße. Unserer Ansicht nach kann Toleranz und im eigenen Bewusstsein verankertes demokratisches Denken bei jungen Menschen nur durch einen möglichst weiten eigenen Wissens- und Erfahrungshorizont in Bezug auf Geschichte, Kultur, Lebensentwürfe und Entfaltungsmöglichkeiten entstehen. Dies ist nur mit einem niedrigschwelligen und lebensweltnahen Bildungs- und Beteiligungsansatz möglich. Wir folgen dabei dem Leitsatz Ermöglichen statt Fördern und sehen Bildung dabei als Mittel zur Selbstermächtigung und Erhöhung der eigenen Bereitschaft zur Partizipation und Verantwortungsübernahme.

Deshalb bilden die Workshops und Vorträge, die in kleinen Zelten auf dem Festivalgelände stattfinden, den Kern unseres Projektinhaltes. Es sind zur Zeit noch Veranstaltungen in Planung, aber Themen wie Pegida und die „Sächsische Demokratie“, aktuelle Strömungen und Erscheinungsformen im Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, Flucht und Asyl sowie über Feminismus, Frauenbewegung und den antifeministischen Diskurs der Neuen Rechten sind schon fest in das Programm integriert. Außerdem wird der Dokumentationsfilm „Ungarn vor dem Sturm“ über das autoritäre Regime in Ungarn Premiere feiern. Aber nicht nur in den Zelten werden politische Themen geboten, auch auf dem ganzen Gelände wird ein reichhaltiges Spektrum an Informationsständen vorhanden sein, z.B. von Amnesty International, der Opferberatung des RAA Sachsen e.V., dem Kulturbüro Sachsen e.V. und vielen mehr. Außerdem wird eine Ausstellung vom Initiativkreis Antirassimus Leipzig über die Dimension rechter Gewalt in Deutschland und im Besonderen in Leipzig aufklären.

Um auch in den Augen unseres Zielpublikums attraktiv zu wirken, wird es eine große Bühne geben, auf der verschiedene Bands aus unterschiedlichen Stilrichtungen spielen werden. Daneben soll es auch eine Kleinkunstbühne für Künstler*innen, Musiker*innen und Straßenperformer*innen geben, die nicht die ganz große Bühne brauchen. Außerdem wird es in der Weitläufigkeit des Parks noch einige Kreativwerkstätten wie Siebdruck- und Graffiti-Workshops geben. Jenseits von Workshops, Vorträgen und Informationsständen bildet das kulturelle Programm aber nicht nur den Rahmen, um das Festival für junge Menschen attraktiv zu machen, sondern es hat selbst einen hohen Stellenwert hinsichtlich der Toleranzförderung und dem Kennenlernen anderer Subkulturen und Lebensstile. Um ein großes Publikum zu erreichen und politisch bildend tätig zu sein, wird für das Festival kein Eintritt verlangt. Wir erhoffen uns bei erfolgreicher Realisierung und Erreichen unserer Ziele eine erneute Durchführung und dauerhafte Etablierung in den folgenden Jahren, um auch unabhängig von politischen Großereignissen die Politisierung junger Leipziger*innen zu fördern und somit zu einer demokratischen Diskussionskultur beizutragen.